Samstag, 31. Mai 2014

Die Fahrt nach Donetsk

Nach den Explosionen vom 28. Mai nahe des Bahnhofs in Donetsk sind Zugverbindungen auf mittlere und längere Strecken stillgelegt. Daher konnten wir nicht direkt von Odessa nach Donetsk fahren. Die einzige Verbindung ist Odessa-Lugansk.

Der Zug fährt nur einmal am Tag und vor der Kasse sammelte sich eine Warteschlange. Der Schaffner fragt: "Was wollt ihr da? Kein Mensch will jetzt dahin fahren". Und lässt uns rein.

Er empfiehlt in Yasynuvata auszusteigen. "Von da sind es etwa 25 Minuten mit der S-Bahn nach Donetsk. Bitte nur mit dem Zug fahren, Autos vermeiden".


Der Zug ist zu etwa 30 Prozent gefüllt und der Schaffner freut sich auf 500 Hrivna für die Fahrt. Das Geld steckt er in die Hosentasche und erlaubt sogar zwischen den Abteilen zu rauchen.

Auf dem Weg kommen keine Barrikaden. Die Pässe und das Gepäck werden nicht kontrolliert. Nur in Dnepropetrowsk, wo der Zug 20 Minuten steht, fällt ein großer Polizeikordon auf. In der Nähe von Yasynuvata sehen wir diese Bilder aus dem Fenster.


















Die Ankunft in Yasynuvata ist um 6 Uhr morgens. Dutzende Menschen stehen am Gleis und warten auf die S-Bahn. Die meisten wirken ermüdet, viele von ihnen tragen schwarze Kleidung. Die Stimmung ist erdrückend. Trotz der frühen Stunde steigen Straßenmusiker in den Zug. Auch ältere Frauen, die Plastiktüten und Snacks verkaufen, laufen hin und her. Ein junger Mann erzählt den Fahrgästen von seinem erbärmlichen Leben und fragt nach Geld.

In Yasynuvata und in Donetsk werden wir ganz genau beobachtet. Die Menschen haben Angst. Viele wollen nicht mal erklären, wie wir ins Stadtzentrum kommen können. Ein Mann sagt, es werde gerade in der Nähe vom Bahnhof, unweit vom Flughafen geschossen. Wir sollen ein bisschen abwarten. Dann nehmen wir das Taxi und fahren ins Hotel.

Gegen 11 Uhr sind die Straßen halbleer. Viele Autos haben keine Nummerschilder, die meisten Geschäfte haben verkürzte Öffnungszeiten. Es ist sogar problematisch ein Cafe zu finden. Ein McDonalds auf dem Lenin-Platz hat aus Sicherheitsgründen geschlossen. Doch dann finden wir ein Cafe. Wir sind die einzigen Gäste.





Die ukrainische Fahne ist nirgendwo zu sehen. Überall hängen die Flaggen der DNR.





Dienstag, 27. Mai 2014

Die fehlenden vier Tage

In Kiew und Odessa wurde uns mehrmals zugesichert, dass wir in der momentanen Lage visafrei auf die Krim fahren dürfen.




Am 24.5 kaufen wir am Bahnhof von Odessa Tickets nach Simpferopol. Die Frau am Schalter macht sogar 50 Hrivna Rabatt. "Kauft euch etwas zu trinken und zu knabbern." Sie wünscht uns eine schöne Fahrt.








Um Mitternacht startet unsere Reise. Wir freuen uns auf die Fahrt und beherzigen den Vorschlag der Ticket-Verkäuferin.
Die Schaffnerin kontrolliert unsere Pässe und lässt uns einsteigen.







Um 5.30 erreichen wir die ukrainische Grenze. Mit Maschinengewehren betreten die Beamten der Grenzkontrolle den Zug und prüfen nochmals die Pässe. Das Gepäck wird nicht durchsucht.



Die Schaffnerin bringt Tee. "Jetzt kommt noch kurz die russische Kontrolle und um 11 Uhr sind wir dann in Simpferopol." Wir füllen die Migrationsscheine aus.





Um 8 Uhr bleibt der Zug stehen. Blau uniformierte Beamten der Grenzkontrolle steigen in den Zug. Ein Mann aus Irland, ein Abteil weiter wird nach dem russischen Visum gefragt. Dann erreichen sie uns. Als sie Simons Pass in den Händen halten, werden wir nach dem Visum gefragt. Danach steigen wir aus, begleitet von mehreren Bewaffneten. Bei 32 Grad in einem eilig errichteten Militärlager versuchen wir zu erklären, dass uns alle Stellen in Kiew und Odessa versicherten, es reiche den Migrationsschein auszufüllen und sich vor Ort anzumelden.

Die Männer vom Grenzübergang schütteln den Kopf. "Es tut mir leid. Dies hier ist russisches Territorium. Zwischen der Krim und Kontinental Russland besteht keine Grenze mehr. Die Ukraine sieht es als eigenes Land an. Dadurch kommt es zu Desinformation und Gerüchten in den Medien".

Zweieinhalb Stunden verbringen wir am Grenzposten und werden mit dem nächsten Zug Richtung Mikolaiv geschickt. Die Fahrgäste erzählen uns, dass viele Ukrainer beim Grenzübergang wegen Formalitäten abgewiesen werden. Eine Frau mit neu geborenem Kind musste ebenso aussteigen.


















Am ukrainischen Grenzübergang wird Damien aus Irland von einem Zollangehörigen angesprochen. "Meine Mutter ist in Irland und auf der Suche nach einem Job. Vielleicht können Sie ihr helfen". Als Gegenleistung schlägt er vor, uns mit dem Auto zu einem anderen Grenzübergang zu bringen. Wir können dort noch einmal unser Glück versuchen, indem wir den Bus über die Grenze nutzen.

Ein junger Mann mit Militäruniform begleitet uns zum etwas reparaturbedürftigen Auto, in dem er keinen Platz für seine Kalaschnikow findet. Die Waffe klemmt er zwischen die Beine und startet den Motor, der nicht gleich anspringen will. Alisa schlägt vor, die Waffe kurz zu halten. Er lehnt es ab, weil diese geladen sei.

Wir fahren eine Landstraße entlang. Links und rechts weite Felder. Er fragt uns: "Will noch jemand aufs Klo gehen hier auf dem Feld? Dann braucht ihr kein Visum mehr beantragen. Hier ist alles voll mit Mienen" und fügt hinzu: "Neulich fuhr ich hier entlang und eine Kuh hat das mit den Mienen wohl nicht gewusst". Wir schweigen.

Am Grenzübergang steigen wir in einen alten kleinen Bus. An der russischen Grenze werden wir gestoppt. "Jeder EU-Bürger muss beim Übergang auf die Krim ein normales Visum für die russische Föderation haben", sagt der Zollbeamte. "Das könnt ihr ganz einfach in Kiew beantragen. Ein Tag dauert es."

Schon als unsere Rückreise beschlossene Sache war, durchsuchten sie unser Gepäck. Die Kamera wurde begutachtet und Alisas Rucksack.

Dort fanden sie den Maidan Becher (siehe Eintrag vom 11. Mai) sowie den Boykott Flyer
(siehe Eintrag vom 15. Mai).

Alisa muss in das Grenzgebäude und wird eine knappe Stunde verhört. Vorgeworfen wird ihr "Junta-Propaganda". Der Becher wird "Faschisten Artefakt" genannt und Alisa als eine geheime Spionin. Doch später darf sie gehen. 

Am Grenzübergang nimmt uns ein LKW-Fahrer mit. Juri, so heißt der Mann, muss in seine Stadt Kherson zurück. Wir fahren mit. Er erzählt uns vom "annektierten Territorium" und seine Hoffnungen auf den neuen Präsidenten. Juri werde für Poroschenko abstimmen.


Er sagte, jemand der schon so viel Geld habe, brauche keins mehr. Mit Janukovitsch habe die Korruption den Höhepunkt erreicht.

In Kherson zeigt uns Juri den Podest, auf dem früher das Lenin Denkmal stand. Der Rechte Sektor habe es demontiert. Jetzt weht dort die ukrainische Fahne.
Auf dem Podest steht: "Es lebe die Ukraine - Ehre den Helden".

Am gleichen Abend sehen wir diese Demo. Die Mädchen rufen: "Es lebe die Ukraine - Ehre den Helden" (Slava Ukraine, geroyam slava)



Wir folgen der Anweisung des russischen Beamten und machen uns auf den Weg nach Kiew. Zusammen mit Damien aus Irland mieten wir ein Auto. "Mit der Fahne ist es einfacher die Blockposts zu überqueren", so der Autovermieter.

Zwölf Stunden dauert unsere Reise von Kherson nach Kiew. Auf dem Weg sehen wir mehrere Blockposts, auch Panzer und Maschinengewehre.

In Kiew sind viele Kameraleute und Fernsehjournalisten. Es ist der Tag nach den Wahlen. In Cafes und auf der Straße bereden alle nur eine Nachricht - den Sieg von Pjotr Poroschenko. Auf dem abgebrannten Haus der Gewerkschaften auf dem Maidan gibt es nun dieses riesige Plakat. "Es lebe die Ukraine - Ehre den Helden", steht darauf.











Vor der russischen Botschaft stehen viele Menschen. Die meisten von ihnen beantragen die russische Staatsbürgerschaft.

Eine Mitarbeiterin erklärt uns, dass wir das Visum nicht beantragen können, da wir in einem "third part country" sind. Das heißt, man müsse das Visum dort beantragt haben, wo man auch wohnhaft ist. Also, in Deutschland. Die russische Botschaft in Kiew habe keine Berechtigung den Bürgern anderer Länder in der Ukraine ein Visum auszustellen. Doch danach flüstert sie, es gebe eine Möglichkeit.

Wir rufen den Mann an. Er will keine Fragen am Telefon beantworten. Wir treffen uns in seinem Büro. 650 EUR würde ein Visum kosten und 3-4 Tage bräuchte er dafür, um diese Angelegenheit über "seine Kanäle zu regeln". So einen hohen Preis können wir nicht bezahlen. Die Krim bleibt für uns geschlossen.

Wir bringen das Auto zurück und machen einen Zwischenstopp in Odessa.

Es geht bald los. Ostukraine. 

Freitag, 23. Mai 2014


Ein Interview mit den Euromaidan Aktivisten aus Odessa über die Geschehnisse vom 2. Mai.

https://www.youtube.com/watch?v=SdqQUTiRQrg&feature=youtu.be

Donnerstag, 22. Mai 2014

Julia aus Odessa

Julia ist gebürtige Odessitin und unterrichtet Philosophie.
Sie sprach uns im Bus an und wollte wissen, was wir in Odessa filmen.

Sie sieht die Medien in Meinungslager geteilt. Für Julia haben diese, gerade in der aktuellen Lage, eine große Verantwortung.


Jeden Tag versammeln sich Menschen vor dem Gewerkschaftshaus in Odessa. Unter ihnen viele ältere Menschen.

Ein Interview mit Elena. Sie wünscht sich die Föderalisierung der Südostukraine.

https://www.youtube.com/watch?v=8VQYxTJsS98&feature=youtu.be

Tatjana aus der Krim

Tatjana ist die Frau eines Marineoffiziers aus der Krim.

Ein Interview über die Schießerei auf dem Militärstützpunkt in Simferopol am 18. März und ihren Umzug nach Odessa.


Montag, 19. Mai 2014

Hallo ihr Lieben!

Nach den Ereignissen auf der Halbinsel Krim mussten sich die dort stationierten Marineoffiziere entscheiden, ob sie Russland den Eid leisten oder in andere Stützpunkte der ukrainischen Marine wechseln. Viele von ihnen sind nach Odessa gekommen.

Leider war es zu kurzfristig um einen Interviewtermin bei der Marine Vertretung in Odessa zu bekommen. Wir hätten euch gerne ein Interview mit einem offiziellen Sprecher, aber auch mit einem nach Odessa gewechselten Marineangehörigen zur Verfügung gestellt.

Wir bemühen uns jedoch das nachzureichen.

Die jüdische Gemeinde in Odessa war und ist ein prägender Teil der Stadt.
 Ein Interview mit dem Pressesprecher einer der Synagogen.

https://www.facebook.com/photo.php?v=1394513514102598&l=2153218002866874801

Sonntag, 18. Mai 2014

Zwei Überlebende der Geschehnisse vom 2. Mai in Odessa berichten. Nach langen Überlegungen waren die Frauen bereit ohne Kamera und mit verstellter Stimme zu reden.

Erster Teil des Interviews:

https://www.youtube.com/watch?v=0m5wQ6RB4uA&feature=youtu.be



Zweiter Teil des Interviews:

https://www.youtube.com/watch?v=p4EUbs-Q5-M&feature=youtu.be



Dritter Teil des Interviews:

https://www.youtube.com/watch?v=RbCP02MrSmU&feature=youtu.be
 

Freitag, 16. Mai 2014

Hallo ihr Lieben! Wir sind in Odessa, alles gut. Macht euch keine Sorgen. Neue Posts demnächst.
Bogdana Babitsch, Medienaktivistin, Gründerin vom Maidan-Sender "Spilno TV"

https://www.youtube.com/watch?v=RBvxv02fhb4&feature=youtu.be

Ukrainische Presse

Am Abend des 8. Mai sind wir in Kiew angekommen. In unserem Hotel lag die meistgelesene englischsprachige Zeitung "Kyiv Post". Die Zeitung wurde von einem Amerikaner gegründet. Das Journalistenteam besteht aus amerikanischen und ukrainischen Journalisten. Unten ein Ausschnitt mit Karikaturen.

 




Hier die Zeitung "Vesti" vom 14. Mai, Kiewer Ausgabe. Auf dem Cover steht: "7 Soldaten sind in Donbass ums Leben gekommen". Im Untertitel: "Der Hinterhalt wurde nach dem tschetschenisch-afganischen Muster organisisert. In der Kolonne wurde der erste und der letzte Schützenpanzerwagen abgeschossen, danach die Soldaten. Das sind die größten Verluste der ukrainischen Armee seit dem Irak-Krieg"(seite 3).

 



Schlägt man die Zeitung auf Seite 3 findet man keine Informationen über das "tschetschenisch-afganische Muster". Keine Anhaben über die Opfer in der Zivilbevölkerung. Auch keine Identitätsangaben bezüglich den ums Leben gekommenen Soldaten.



Die gleiche Zeitung "Vesti" schreibt, dass die ukrainische Rada ein neues Gesetz "Kampf-Transport-Schulden" verabschieden will. Für den "Armeebedarf" können in Zukunft Autos von Privatpersonen und Organisationen beschlagnahmt werden. Einer der Initiatoren dieser Idee ist der ehemilige Verteidigungsminister Alexander Kuzimuk.

Die Zeitung "Segodnya" vom 14. Mai, Kiewer Ausgabe, schreibt über die Ergebnisse des Referendums in Donetsk. Im unten stehenden Artikel, "Volksrepublik Donetsk bittet Russland, die Kampftruppen zu schicken" geht es um die Befragung der Bevölkerung und was sie sich wünschen. Nikolai Krasnow habe Angst sein Haus zu verlassen, so die Zeitung. "In der ganzen Stadt (Donbass) werden abends Cafes geschlossen. Am späteren Abend haben nur teure Lokale geöffnet. Dort sitzen bewaffnete Menschen und bezahlen mit Dollar".


Die gleiche Zeitung schreibt über die kommenden Sitzungen der ukrainischen Rada. Turtschinow wird die Anti-Korruptions-Gesetzentwürfe besprechen. Ein anderes wichtiges Thema sei die Erleichterung der Visapolitik mit der EU. Das werde Brüssel am 20. Mai 2014 besprechen, so die Zeitung. Unter anderem geht es im Artikel um die Verhandlungen, den sogenannten runden Tisch wegen der Auseinandersetzungen in der Ostukraine. Der Vortsitzende der Vaterlands-Partei, Serghei Sobolew, sagte im Interview, dass die selbsternannten Gouverneure der Ostregionen nicht zu Verhandlungen eingeladen werden. "Was ist der Sinn irgendwelche selbsternannte Menschen einzuladen? Jeder kann sich Gouverneur nennen", sagte der Politiker.