Sonntag, 8. Juni 2014

Ein Samstag in Donetsk

Viele Menschen, denen wir begegneten, waren der DNR gegenüber positiv eingestellt.
Eine Gegenstimme fanden wir gestern.
Doch der Mann mittleren Alters wollte nicht vor der Kamera sprechen.
Sein Argument: "Wenn Sie ein großer ukrainischer Sender wären, dann würde ich schon was sagen. Aber so ist es mir zu viel Stress."


Den Mann haben wir am Fluss in Donetsk kennengelernt. Dort gibt es eine lange Promenade. Auf einer der Bänke saß unser "Protagonist" und wollte sein Feierabendbier öffnen als 7 Männer ihn umringten. Sie haben nach seinem Ausweis gefragt, den er nicht dabei hatte. "Wer sind Sie, um mich zu fragen?!" Zwei davon waren Polizisten, bei den anderen zwei stand "Oplot" auf dem Rücken und die übrigen drei hatten gar keine Abzeichen, nur ein Georgs-Band.

Als sie weg waren, erzählte uns der Mann, der seinen Namen nicht nennen wollte, dass das die sogenannte Selbstverteidigung war. Ihre Station liege am gegenüberliegenden Flussufer.

Der Mann sagte, dass die Polizei sich mit der Selbstverteidigung "sehr gut" verstehe und tagsüber sehen sie gemeinsam nach "schlechten Menschen im Park". Er fiel unter diese Kategorie, da er in der Öffentlichkeit ein Bier trinken wollte, was "der Ordnung der Stadt nicht entspricht." Bevor die Männer gingen, brüllte er zu ihnen: "Es war und bleibt die Ukraine. Ihr seid Scharlatane."

Die Antwort war kurz: "Das ist die DNR. Die Ukraine war es früher." Der Mann rief ihnen hinterher: "Die Krim werden wir auch zurück erobern! Poroschenko wird es tun!"

Unser Gesprächspartner arbeitet als Anwalt und kommt aus Donetsk. Er ist tief besorgt, was in seinem Land passiert. "Irgendwelche Leute nennen sich Freiheitskämpfer und wollen sich abspalten. Natürlich sind es Separatisten und die, die Häuser besetzen, sind Terroristen." Er war nicht beim Referendum, nennt das eine "Farce". Er wollte für Poroschenko abstimmen, es gab aber keine Möglichkeit  abzustimmen. "Ich finde, man muss dem Mann eine Chance geben." Er will nicht, dass seine Stadt irgendwann zu Russland gehört. Er will Ukrainisch reden und ist stolz, ein Ukrainer zu sein. "Ich habe eine klare Identität. Warum muss ich nach irgendeiner anderen Identität suchen?"

Er war zweimal in Deutschland: Passau und München. Geschäftlich. München gefiel ihm sehr. "So müssen wir leben, wie die Deutschen und nicht wie Putins Leute." Das Gleiche vor der Kamera zu erzählen, lehnte er erneut ab. Angst vor den DNR Vertretern habe er jedoch nicht.

Straßenschild in Donetsk: "Frieden! Frieden! Frieden unserem wunderschönen Donbass!"


















Am gleichen Tag gegen 15 Uhr haben Unbekannte versucht, Denis Puschilin in der Nähe des Theaters, mitten in Donetsk, zu erschießen. Ihn haben wir genau vor einer Woche bei der Demo am Leninplatz gesehen und gefilmt. Doch die Täter haben einen seiner Begleiter erwischt. Der Mann starb. Ein paar Stunden später wurde der Tatort freigegeben. Hier ist ein Foto um 19 Uhr. Blutspuren sind kaum noch zu sehen.




Erstaunlicherweise versammeln sich immer wieder Menschen in der Nähe des Ortes und diskutieren, was passiert ist. Auch Frauen mit Kindern gehen hier spazieren.




In der Nähe des besetzten Stadtrates ist die Stimmung angespannt. Die Menschen gucken skeptisch auf unsere Kamera: "Was wollt ich hier filmen? Hier ist nichts für euch."


















An einem der Zelte der Selbstverteidigung steht: "Wir sagen nein dem Faschismus in Donbass. Wir erinnern uns an 1941-1945 und sind stolz auf den Sieg." Auf dem Transparent klebt ein DIN A4 Blatt: "Sofortige Mobilisierung der Selbstverteidigung zum Kampf in Slawjansk."

Samstag fand am Leninplatz wieder eine Demo für Novorussia statt. 
Das Motto: "SAVE DONBASS PEOPLE from Ukrainian army!"
Mehrere Rockbands und Redner waren auf der Bühne. 


















In Donetsk ist es immer noch schwer, an Bargeld zu kommen. Viele Läden sowie Banken bleiben geschlossen. Mehrere Bankautomaten sind außer Betrieb.




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