Freitag, 6. Juni 2014

Die Geschichte eines Kellners aus Donetsk

Oleg ist Kellner eines luxuriösen Hotels in Donetsk. Er will nicht vor der Kamera reden, bittet jedoch seine Geschichte aufzuschreiben. "Für Deutschland. So dass die Wahrheit gehört wird."

Ursprünglich kommt er aus Harzisk, "etwa eine Stunde Fahrt von Donetsk". Er ist verheiratet und hat zwei Kinder: acht und fünf Jahre alt. Eines von ihnen ist behindert. Oleg und seine Frau würden am liebsten der DNR Selbstverteidigung betretenen. "Wer wird mit dem Kleinen zuhause bleiben?"

In Donetsk ist es gerade fast unmöglich einen Job zu finden. Die sogenannte "Mittelschicht" hat schon längst ihre Familie aus Donetsk in Sicherheit gebracht. Die Oberschicht tat das bereits, als es mit dem EuroMaidan angefangen hat. "Sie wussten damals, dass es der Anfang vom Ende ist."

Im Hotel arbeitet er seit fast zwei Jahren und erinnert sich an die Zeiten, als hier in der Donbass Arena, gebaut vom Geld des Oligarchen Rinat Akhmetov, Fussballspiele stattgefunden. Damals war das Hotel ausgebucht und die Preise für Übernachtungen waren doppelt so hoch. Nun ist nur die 6. Etage in Betrieb. "Ein paar Hotelzimmer sind gerade belegt". Wir sind die einzigen Gäste in der Lobby. Doch dann kommt ein junges Pärchen. 

Gast: Sushi hätten wir gerne.
Oleg: Es gibt keine Sushi.
Gast: Wann gibt es sie wieder?
Oleg: Vielleicht in 3-4 Jahren. Wenn der Krieg zu Ende ist.
Gast: Wow! 4 Jahre auf Sushi zu warten ist heftig.

Oleg kommt zu uns. Er wirkt entsetzt und sagt, dass die Sushi das Letzte sei, was sein Land brauche und entschuldigt sich, dass er vielleicht frech zu seinen Gästen sei. 

"Ich habe keine Kraft mehr, wissen Sie? Unsere Leute sterben und Sushi braucht keiner". Früher haben in der Küche zwischen 18 und 25 Mitarbeiter gearbeitet. Nun sind es nur zwei. "Deswegen dauert es so lange mit dem Essen". Die Managerin kommt und sagt, er solle mit dem "quatschen aufhören" und sich um die "Gäste kümmern". Oleg will ihren Befehlen nicht folgen. "Es ist mir egal. Wenn heute mein letzter Arbeitstag ist, dann muss es so sein. Ich will sowieso für die DNR kämpfen, ich habe ihnen gegenüber ein schlechtes Gewissen". 

Noch nie war die Situation so schlimm. Das Hotel hat eine eigene Pizzeria, einen Tanzclub, Kinderspielraum und andere Top Level Angebote. 

"Für wen soll das alles funktionieren? Und wer will bitte schön feiern, wenn unsere Nachbarn sterben?" sagt Oleg. Er hasst die "Kiewer Junta" und vor allem den neuen Präsidenten Poroschenko. "Der Typ wurde gerade erst gewählt und kündigte schon an, dass er weiter gegen sein Volk im Osten harsch vorgehen wird."

Oleg ist nicht wählen gegangen. Er hat aber für die DNR am 11. Mai zugestimmt. "Ich will, dass Donbass Russland beitritt. So werden wir stärker. Europa braucht unsere Kohleschachten nicht." Dann erzählt er vom Schiefergas in Slawjansk. Die Vertreter der SHELL Unternehmung waren schon in Slawjansk und wollten dort Gas beschaffen. "Doch auf unsere Umwelt scheißen sie", erzählt Oleg. "Hauptsache Profit machen. Die Menschen sind egal." Die Managerin kommt zum zweiten Mal: "Oleg, du riskierst deinen Job. Das sind deine Gäste. 

"Du darfst hier nicht mit deiner Zunge arbeiten. Wir haben dich als Kellner angestellt und nicht als Redner". Oleg ignoriert sie. Gestern hat er die Tür in der Bar mit DNR Aufklebern und Timoschenko Karikaturen beklebt. Heute war sie wieder sauber. "Wenn sie mich entlassen, dann rufe ich die DNR Hotline an und sage, ich wurde diskriminiert." Oleg sagt, er habe den Eindruck, "die Mächtigsten wissen im Voraus, was im Land passiert." Am 1. April war er im Rathaus seiner Heimatstadt Harzisk. Der Bürgermeister war "plötzlich im Urlaub". Ein paar Tage später wurde das Gebäude durch die DNR Selbstverteidigung gestürmt. "Der korrupte Bürgermeister muss zurücktreten", sagt Oleg. Doch immer dann, wenn es zu "Spannungen" kommt, ist "der Fuchs entweder im Urlaub oder krank". Wie stand Oleg zu Janukovich? "Er hat viel Gutes für Donbass gemacht. Korrupt sind sie alle. Er hat den Flughafen aufgebaut, Straßen sind sauber geworden, viele Häuser wurden renoviert." 

Für Oleg ist Europa ein "Verräter" und die sogenannten europäischen Werte eine "Doppelmoral". 
Er guckt ukrainische und russische Nachrichten und vergleicht mit dem, was er hier mit eigenen Augen sieht. "In dieser Situation sind russische Medien verlässlich. Die ukrainischen lügen immer wieder und schweigen über die Toten."

"Warum werden wir Separatisten oder Terroristen genannt? Terroristen sitzen in Kiew, die ihre eigenen Männer nach Osten schicken, um uns zu töten. Viele von ihnen wollen nicht in den Krieg, aber die Politiker provozieren eine Eskalation". 
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Seit Tagen suchen wir, faces of ukraine, eine "andere Meinung", die dem von Oleg nicht entsprechen würde. Bis jetzt haben wir bei Gesprächen mit Menschen in Donetsk noch keine gefunden.

3 Kommentare:

  1. Danke euch für dem tollen Bericht.Dem Oleg und seiner Familie liebe Grüße!
    Schutze die der lieber Gott in dieser schwerer Zeit.

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  2. Soll ich euch ein paar Adressen geben, wo euch auch die andere Meinung gesagt wird? Glauben mir, es sind einige! Ich komme selber aus Donezk und habe da meine Familie und Freunde, weitaus nicht alle von denen teilen die Meinung von Oleg!

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    1. Liebe Anna, gerne. Schick uns bitte eine Mitteilung auf facebook. Danke!

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